Mittelstand, wach auf – Fokussierung auf Strategie, Kompetenz, Werte
Don´t panic, vieles von dem, was heute als neue und innovative Methode verkauft wird, gibt es schon sehr lange. Das haben wir den großen ManagementvordenkerInnen, wie Peter Drucker (Global Peter Drucker Forum – wer ManagementvordenkerInnen live erleben möchte), Fredmund Malik, Igor Ansoff, Chris Argyris, W. Edwards Deming, Michael Porter, Kenichi Ohmae, Henry Mintzberg, Kurt Lewin, David Allen, Reinhard Selten, Hermann Simon, Heribert Meffert, Linda Hill, Hans Ulrich, John P. Kotter, Stephen R. Covey, Peter Senge, Henry William Chesbrough, Coimbatore Krishnarao Prahalad, Sun Tzu und vielen mehr zu verdanken. Die Grundlagen für strategisches Management, Marketing, Führung und Organisationsentwicklung wurden vor vielen Jahren gelegt. Heute werden sie vielfach den neuen Anforderungen angepasst oder weiterentwickelt.
„Man muss das Rad nicht neu erfinden –
es aber den Anforderungen entsprechend anpassen!“
Management by Objectives (MbO) wurde in den 50er Jahren des vorherigen Jahrhunderts von Peter F. Drucker entwickelt. Wer seine Methode richtig verstanden und eingesetzt hat, hatte schon damals das heute in Zusammenhang mit Google genannte OKR (Objectives and Key Results). Allerdings nur, wenn es auch notwendig war. Wenn man in dynamischen und komplexen Märkten agieren musste. Wer es nicht kennt, OKR wurde von Andy Crove (Intel) auf Basis des MbO entwickelt. Es ist eine Zielmanagementmethode, welches Objectives (Definition eines zu erreichenden Ziels – Wo will ich hin?) mit Key Results (Wegweiser, die den Fortschritt in Richtung des Ziels messen – Nähere ich mich dem Ziel an?) verbindet.
Veränderungen gehören dazu!
Veränderungen gab es schon immer und wird es immer geben. Passende Methoden wurden entwickelt oder angepasst, in der Praxis ausprobiert und nachgebessert. Unternehmen, die es getan haben, waren meist erfolgreicher als die Konkurrenz. Doch auch ohne Anpassung konnte man bisher Erfolge feiern.
Es gibt aber zwei Treiber, die Unternehmen zwingen, sich schnell und zielorientiert anzupassen und ständig zu verändern:
-
Dynamik
-
Komplexität
Das betrifft insbesondere die mittelständischen Unternehmen. Die Fähigkeiten zur Veränderung und Anpassung entscheiden über Leben und Tod eines Unternehmens.
Veränderung birgt Chancen!
Zum einen natürlich die technischen Möglichkeiten. Dezentrale Zusammenarbeit war früher nur durch Reisen und Präsenzveranstaltungen möglich. Ich erinnere mich noch an die Zeit, in der ich jedes Jahr Zehntausende Kilometer mit dem Auto unterwegs war, um mit den Mitarbeitenden an unterschiedlichen Standorten sprechen und arbeiten zu können. Das war sehr anstrengend, Abstimmprozesse und Veränderungen dauerten entsprechend sehr lange. Die technischen Möglichkeiten wie Videokonferenzsysteme oder Kollaborationsplattformen ermöglichen heute schnelle Informationsbereitstellung, agiles Arbeiten und zeitnahe Kommunikation.
Zum anderen natürlich die Marktteilnehmer. Dabei geht es um verändertes Kundenverhalten, neue Marktteilnehmer oder Mitbewerber. Marketing muss heute komplett anders gestaltet werden als noch vor 20 Jahren. Die Grundlagen bleiben bestehen, aber die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten. Wer heute noch per Zeitungsanzeige Mitarbeitende (es sind immer alle Beschäftigte im Unternehmen gemeint, auch Führungskräfte) sucht, hat kaum mehr eine Chance. Und wer glaubt erfolgreich Produkte entwickeln und verkaufen zu können, ohne Kunden und Lieferanten frühzeitig einzubinden, wird schnell viel Geld und Zeit vergeuden. Die Kunden können ihre Meinungen zum Unternehmen und Produkten online schnell und öffentlich loswerden, dadurch ändern sich auch das Beschwerdemanagement und der Kundensupport.
Veränderung kennt nur einen Engpass –
den Menschen!
Aus meiner Erfahrung gibt es nur eine Art der Veränderung, die schnell und nachhaltig, fast von alleine geschieht. Wenn eine unmittelbare Gefahr droht. Nein, es muss nicht um Leben und Tod gehen. Vielfach verändern sich Menschen, wenn sie sich nicht Wohlfühlen. Es irgendwie nicht passt, es wehtut oder, natürlich auch, wenn die Raubkatze hinter einem her ist. Aber grundsätzlich müssen die Menschen die Notwendigkeit einsehen.
Not (eine schlimme Situation, in dem Hilfe benötigt wird) –wendig (körperlich und geistig beweglich).
Drei wesentlich Veränderungsfelder!
-
Strategie
Gerade im Mittelstand erlebe ich es immer wieder, dass es keine (allen Beteiligten bekannte) Strategie gibt. Meist gibt es sie, allerdings nur im Kopf der Inhaberin oder des Inhabers. Im besten Fall ist sie noch der Geschäftsleitung bekannt, ganz selten den eigenen Mitarbeitenden.
Diese Intransparenz erschwert es natürlich den Mitarbeitenden, die Strategie durch praktikable „Arbeitsziele“ und deren Umsetzung zu unterstützen. Immer häufiger höre und lese ich, dass in diesen komplexen und dynamischen Zeiten Planung sinnlos sei. Das ist natürlich Quatsch! Jede Organisation braucht Ziele, an deren Erreichung gemeinsam gearbeitet wird. Ob eine Fünfjahresplanung noch sinnvoll ist, wage ich zu bestreiten. MbO oder andere Zielvereinbarungsmethoden, wie OKR, werden von allen erfolgreichen Unternehmen genutzt.
-
Werte
Dieser Aspekt wird in der täglichen Arbeit viel zu sehr vernachlässigt. Kennen Sie Unternehmen, in denen an allen Wänden die Werte, untermalt mit tollen Bildern, hängen? In den meisten Fällen wurden diese von der Unternehmensleitung Werte und Kulturvorgegeben und von KommunikationsexpertInnen formuliert. Gelebt werden sie aber selten.
Doch ohne gemeinsame und gelebte Werte, oft auch als Unternehmenskultur bezeichnet, wird es in Zukunft kaum möglich sein, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Wenn im Unternehmen nicht wertschätzend kommuniziert wird, wird es auch nicht mit den Kunden getan. Die Resultate lesen wir fast täglich in den Medien. Vom Abgasskandal deutscher Autohersteller, Manipulationen beim ADAC, Schmiergeldzahlungen bei MAN und Siemens oder der Cum-Ex-Skandal.
-
Kompetenz
Informationen stehen heute in vielfältiger Art und Weise zur Verfügung. Der früher einmal vorhandene Wissensvorsprung eines Studiums wird durch das Internet und dessen mannigfaltiger Informationen immer kleiner. Wissen und Informationen sind wichtige Grundlagen für unsere Entscheidungen und unser Handeln. Aber sie sind nicht ausreichend für unseren Erfolg.
Wir benötigen Kompetenzen, die Fähigkeit in unübersichtlichen, dynamischen unvorhersehbaren Situationen, selbstorganisiert handlungs- und entscheidungsfähig zu sein. Alles Wissen der Welt ist nutzlos, wenn ich es nicht anwenden kann. Was früher Managementaufgabe (dazu zählen für mich auch Führung, siehe Definition Malik) war, wird heute immer mehr von allen Mitarbeitenden benötigt. Wer im Kundengespräch schnelle Entscheidungen treffen muss, kann nicht warten, bis ein Manager dafür Zeit hat. Mitarbeiter müssen Handlungs- und Entscheidungskompetenz im Rahmen ihres Arbeitsprozesses, ihrer Rolle, besitzen.
Hermann Simon, Gründer der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners, hat 7 Lehren der Hidden Champions in einem Beitrag im Handelsblatt[1] (2014) herausgearbeitet, die meine oben aufgeführten drei Punkte bestätigen:
- Führung und Ziele
„……. Führung bedeutet, dass sie dieses Feuer in vielen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturen entzünden.“ - Hochleistungsmitarbeiter
„Hidden Champions schaffen – und profitieren von – Bedingungen, die eine extrem geringe Fluktuation erzeugen. Hochleistung erreicht man nur mit einer Mannschaft, die eine starke Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen aufweist. …..“ - Dezentralisierung
„…… Sie gehen den Schritt in die Diversifikation. Um ihre traditionellen Stärken nicht zu gefährden, wählen sie die konsequente Dezentralisierung – in der Regel bis hin zu rechtlich eigenständigen Firmen.“ - Fokus
„…….Hidden Champions fokussieren ihre beschränkten Ressourcen besser als andere und bleiben bei dieser Richtung, bis sie die Spitzenposition erreicht haben. Dabei ist die Definition des Spielfelds selbst Bestandteil der Fokussierung.“ - Globalisierung
„Nichts verändert die Welt in den nächsten Jahrzehnten stärker als die Globalisierung. Für Unternehmen, die diesen Wandel nutzen, eröffnen sich ungeheure Wachstumschancen. Der Aufbau weltweiter Produktions- und Vertriebssysteme dauert jedoch oft genug mehrere Generationen. Zunächst internationalisieren sich die Umsätze, dann folgt das Personal und als Letztes das Management. ………. Simon: “Um die Chance zu nutzen, muss man seine nationalen Beschränkungen ablegen und große Ausdauer mitbringen.” - Innovation
„Die meisten Hidden Champions planen massive Innovationsaktivitäten. Sie integrieren dabei Markt und Technik als gleichwertige Antriebskräfte. ….. Innovation ist in erster Linie eine Frage von Kreativität und Qualität – keineswegs nur eine Sache des Geldes.“ - Kundennähe
„….. Hochleistung für Kunden führt automatisch zu Wettbewerbsvorteilen. Simon: “Topkunden ähnlich wie Topkonkurrenten als Leistungstreiber einsetzen.”
“Erfolgsfaktoren – Strategische Ausrichtung,
kompetente Mitarbeitende,
gelebte Werte und
gesunder Menschenverstand!”
Am Anfang steht die Strategie!
Zu Beginn steht die Strategie. Die Auswahl des Marktes richtet sich dabei nicht an vorgegebenen Branchen oder Definitionen von Mitbewerbern. Dadurch entstehen neue Marktdefinitionen, welche zu einem entscheidenden Unterschied in der Strategie führen. Diese unterschiedliche Betrachtung kann zu dem entscheidenden Wettbewerbsvorteil führen.
Von der Strategie hängen alle anderen Faktoren ab. Und einer der wichtigsten sind heute kompetente Mitarbeitende, welche selbstorganisiert Lösungen erarbeiten, ihre Erfahrungswerte austauschen und innovative (digitale) Geschäftsmodelle für die Märkte entwickeln. Was kollaboratives Arbeiten, hohe Kommunikationsfähigkeit, Transparenz und Wertschätzung voraussetzt. Voraussetzungen, welche durch die notwendigen Rahmenbedingungen und Werte unterstützt und ermöglicht werden, oder eben nicht!
Fazit: 42 oder gesunder Menschenverstand?
Douglas Adams hat in seinem Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ die universelle Antwort gefunden. “Die Antwort auf die große Frage nach dem Leben, dem Universum und allem lautet …… 42!”
Oder passt doch besser was Hermann Simon in seinem Buch „Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia[2]“ schreibt:
„Unbeirrt von den Managementmethoden des jeweiligen Tages ziehen die Hidden Champions ihre Bahnen. Ihre Überlegenheit haben sie in der Welt von gestern vielfach unter Beweis gestellt. Wenn sie ihren Prinzipien (Stephen Covey lässt grüßen – Anmerkung von mir) treu bleiben, werden sie auch in Globalia, der globalisierten Welt der Zukunft, florieren. Es gibt kein Geheimrezept (und keine Allheilmethode – Anmerkung von mir) für ihren anhaltenden Erfolg. Es sei denn, dass sie den gesunden Menschenverstand konsequenter anwenden als andere.
Dies ist so einfach und doch so schwer!“
[1] Hermann Simon, Hidden Champions sollten sich fokussieren!, Handelsblatt Online, 11.08.2014, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/hidden_champions/gastbeitrag-hermann-simon-hidden-champions-sollten-sich-fokussieren/10289018.html (Link geprüft am 15. Juni 2018)
[2] Hermann Simon, Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia: Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Campus Verlag; Auflage: 1 (16. August 2012)
Bildquellen:
pixabay – rawpixel_dokument-papier-geschäft-menschen-3268750
pixabay – rawpixel_achievement-3385068_1920
pixabay – geralt_competence-940611_1920