Ein Framework zur nachhaltigen Kompetenzentwicklung
Wir benötigen Kompetenzen für die immer komplexere und dynamische Arbeitswelt. Alles ist in Bewegung. Die Digitalisierung verändert alles und immer schneller. Und genauso wie der Begriff Digitalisierung von vielen sehr unterschiedlich gebraucht wird, so wird auch der Kompetenzbegriff sehr unterschiedlich verwendet.
Die individuellen Kompetenzen der Mitarbeitenden sind heute schon der erfolgsrelevante Faktor für Unternehmen im Wettbewerb.
- “Der Konkurrenzkampf wird zum Kompetenzkampf” (vgl. u. a.Rosenstiel 2005).
- “Das erfolgreiche und zielgerichtete Management individueller Kompetenzen wird zur Antwort auf zukünftige Herausforderungen für Unternehmen” (Kompetenzmanagement: Grundlagen und Praxisbeispiele; Grote/Kauffeld/Frieling 2006). “
- Oder wie Prof. Dr. Hermann Simon es in seinem Buch Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia formuliert „Für den Erfolg sind Köpfe und Kompetenzen wichtiger als Budgets.“
Dazu mehr in meinem Blog “Was der Mittelstand von Hidden Champions lernen kann!“.
Das hat gravierende Auswirkungen auf die Personal- und Organisationsentwicklung. Für die Überlebensfähigkeit von Organisationen. Ressourcen werden vernichtet, Möglichkeiten verpasst, Potenziale nicht genutzt und mögliche Ergebnisse nicht erreicht.
Was Kompetenzen sind und warum wir keine neuen Kompetenzen benötigen habe ich in dem Beitrag „Wir brauchen keine neuen Kompetenzen!“ erläutert. Warum Kompetenzen wichtig sind, wie man sie nachhaltig entwickeln kann und das dabei viel mehr möglich ist, skizziere ich hier.
Kompetenzmangel – Ursachen
Schauen Sie sich Stellenausschreibungen an. Oft hat man das Gefühl, sie sind seit 20 Jahren nicht mehr verändert worden und die Unternehmen sind austauschbar. Es wird viele Wert auf Abschlüsse und wenig auf Kompetenzen gelegt.
In den Stellenausschreibungen werden oft Skills wie „MS Office“ oder „SAP“ gefordert. Die Recruitingprozesse sehen dann so aus, dass die Bewerber*innen ihre Unterlagen digital einsenden, um dann per Brief eine Einladung erhalten und die Absage dann auch per Post kommt. Das schreckt viele Bewerber*innen ab, da sie von Unternehmen gewisse Kompetenzen erwarten.
Viele Entwicklungsprogramme in Unternehmen bleiben wirkungslos. Wenn Sie Skills mit Kompetenzen verwechseln, werden auch nur Skills entwickelt. Viele Unternehmen stellen die Präsenztrainings digital auf einer Lernplattform zur Verfügung. Sie verpassen damit die unglaublichen neuen Möglichkeiten zum besseren formalen Lernen. Zudem werden so keine Kompetenzen entwickelt. Oder anders ausgedrückt:
Kompetenzen entwickeln und nutzen
Zukunft schon heute gestalten!
Statt über immer neue Pseudokompetenzen zu diskutieren, sollte HR mit der Geschäftsleitung, den Prozess Ownern und Expert*innen ein Kompetenzmodell entwickeln, welches sich aus der Strategie ergibt.
Achten Sie dabei, dass Sie Kompetenzen beschreiben und keine Qualifikationen. Es sollten nicht mehr als 12 bis 16 Kompetenzen notwendig sein. Alles andere hat sich in der Praxis nicht bewährt.
Entwickeln und Befähigen!
Richten Sie alle heutigen Prozesse und Aufgaben auf diese notwendigen Kompetenzen aus.
Achten Sie darauf, dass Sie Mitarbeitende einstellen, die heute schon eine hohe Kompetenzdeckung mit der Rolle in zwei oder drei Jahren haben. Überprüfen Sie die Aus- und Weiterbildung. Qualifikationsmaßnahmen werden weiterhin benötigt, so werden aber keine Kompetenzen entwickelt.
Selbstorganisierte Kompetenzentwicklung für alle!
Kompetenzentwicklung hat nichts mit elitären Entwicklungsprogrammen von High Potentials oder Talenten zu tun. Fast alle Mitarbeitenden brauchen entsprechende Entscheidungs- und Handlungsfähigkeiten, allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen.
Achten Sie auf die Kompetenzanforderungen für die Rollen / Stellen und die jeweiligen Kompetenzen der Mitarbeitenden. Unterstützen Sie die notwendigen individuellen Entwicklungen und Befähigen Sie sie dies selbstorganisiert zu tun.
“Wer Werte nur plakatiert und nicht
in die Arbeits- und Entwicklungsprozesse integriert,
bekommt nur teure Tapeten!”
Werte und Prinzipien statt Regeln und Vorschriften!
Ein wichtiger Faktor bei der Kompetenzentwicklung sind die interiorisierten Werte. Diese bestimmen, ob die Ergebnisse auch im Interesse des Unternehmens sind. Wie und ob Zusammenarbeit und Kundenzentrierung funktioniert.
Achten Sie bei der Kompetenzentwicklung, dass die gewünschten Unternehmenswerte auch gelebt und von den Mitarbeitenden verinnerlicht werden. Dabei helfen Prinzipien, statt Anordnungen oder strikte Regeln. Berücksichtigen Sie in der Bereitstellung von Informationen und Erfahrungswissen, dass Ihre Werte berücksichtigt und entwickelt werden.
Unterstützung, Qualifikation und Kompetenzen!
Viele Unternehmen beschäftigen sich mit der Kompetenzentwicklung, ohne auf eine entsprechende Basis aufbauen zu können. Dadurch ergeben sich bei der Umsetzung viele Verständnis- und Akzeptanzprobleme bei den Führungskräften und den Mitarbeitenden. Abwehrhaltungen in Form von „Keine Zeit“ oder „Was bringt das denn?“ sind an der Tagesordnung.
Kompetenzentwicklung – verändert lernen und denken
In einem solchen Veränderungsprozess müssen schnell Ergebnisse erzielt werden, die den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entsprechen. Da ist ein sowohl als auch notwendig. Schnelle Ergebnisse und die strategischen und operativen Ziele nicht aus den Augen verlieren.
Workplace Support – mehr als Softwareunterstützung
Schnelle Ergebnisse und Erleichterungen für die Mitarbeitenden können mit Workplace (Performance) Support erzielt werden. Der Unterstützung im Arbeitsprozess. Mitarbeitende werden entlastet, müssen nicht mehr lange nach Informationen oder Experten suchen, halten die Prozessqualität ein und verursachen weniger Fehler. Dieser Support geht weit über die Unterstützung in der Anwendung einer Software hinaus. Hilft aber, hier den IT-Support deutlich zu reduzieren.
Resultat: Die Unterstützung betrifft den gesamten Wertschöpfungsprozess, auch bspw. Compliance Regeln oder Änderungen in der Kundenkommunikation. Die notwendigen Informationen stehen Just-in-Time und kontextbezogen zur Verfügung. Wenn diese Grundlage geschaffen wurde, können die formalen Weiterbildungsmaßnahmen integriert werden.
Workplace Learning – lernen im Arbeitsprozess
Workplace Learning unterstützt das formale Lernen und kontextbezogenes Bereitstellen von Informationen. Sowohl bei den Mitarbeitenden, die sich in neue Themen einarbeiten und Wissen vertiefen oder sich im Onboarding Prozess befinden. Keine Zeit zum Lernen entfällt damit, da Lernen und Arbeiten gleichzeitig stattfinden. Die Mitarbeitenden bleiben am Arbeitsplatz, können das erlernte sofort umsetzen und dem Unternehmen entstehen weit weniger Kosten. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Resultat: Jetzt können wir die Mitarbeitenden schnell und kontextbezogen unterstützen und gleichzeitig die Qualifikation im Arbeitsprozess zur Verfügung stellen. Voraussetzung für Kompetenzentwicklung.
Workplace Development – Kompetenzen entwickeln und nutzen
Workplace Development als drittes integriertes Element der Entwicklungsumgebung dient der individuellen und selbstorganisierten Kompetenzentwicklung. Auf Basis der Support und Lernelemente der beiden „Vorstufen“ können jetzt die notwendigen Kompetenzen entwickelt werden – durch Anwendung im Arbeitsprozess und der Nutzung von Kollaborations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Technisch, methodisch, didaktisch und organisatorisch unterstützt.
Resultat: Support, Learning und Development unterstützen die Mitarbeitenden systematisch und systemisch. Individuelle Kompetenzen für die zukünftigen Herausforderungen können gezielt und im Arbeitsprozess eingebettet selbstorganisiert entwickelt werden. Durch die Integration von Support und Learning werden neue Informationen und Erfahrungen sofort in Bereichen zur Verfügung gestellt. Content muss nur einmal erstellt werden. So profitiert der Support von Ergebnissen aus der Kompetenzentwicklung und Änderungen im Support stehen im Lernbereich sofort zur Verfügung.
Werte und Prinzipien – vervollständigen die Befähigung
Während aller Phasen, welche auch unter bestimmten Voraussetzungen parallel gestaltet werden können, können die gewünschten Werte und Prinzipien integriert werden. Einfordern von wertschätzender Kommunikation, Austausch von Erfahrungswissen, darstellen von Compliance Regeln und Prinzipien, erläutern der Unternehmenswerte und was genau darunter zu verstehen ist.
Resultat: Das befähigt die Mitarbeitenden ihre Potenziale und Kompetenzen, im Sinne der gewünschten Unternehmenswerte einzusetzen. Statt einem Ver- oder Gebotskatalog genügen wenige interiorisierte Werte und Prinzipien, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.
Kompetenzbasiertes Wissensmanagement – es funktioniert
Durch diese Vorgehensweise haben Sie ein funktionierendes Wissensmanagement etabliert. Die Mitarbeitenden erleben die Vorteile sich gegenseitig zu unterstützen, Erfahrungswissen auszutauschen, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Kompetenznetzwerke oder Communities of Practices entstehen, innerhalb und außerhalb der Organisationen. Es funktioniert!
Resultat: Sie integrieren das Wissen Ihrer Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und Experten direkt bei der Anwendung in den Arbeitsprozess. Keine Datenberge, die niemand nutzt, sondern Informationen und Erfahrungswissen, jederzeit und überall, im Workflow. Eine Grundlage für höhere Performanz und Innovationsfähigkeit.
Kompetenzen entwickeln, Potenziale nutzen, Werte leben, Performanz steigern.
Wie es funktionieren kann, habe ich kurz erläutert. Es bedarf natürlich einer individuellen Konzeption, auf der Grundlage der organisatorischen Rahmenbedingungen und der Strategie. Doch Sie sollten heute anfangen, wenn Sie in zwei Jahren die dann notwendigen Kompetenzen nutzen wollen.
Ein Aussitzen und Abwarten hilft Ihnen nicht, im Gegenteil.
Bildquellen:
eigene Darstellung; pixabay – geralt_18936; eigene Darstellung